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Fazit:
- Branchenübergreifender Konjunktur-Pessimismus für 2025. Ausnahme: Bauwirtschaft
- Große Verunsicherung bei Industriebetrieben: Investitionen sinken weiter und bedrohen Konkurrenzfähigkeit
- Dennoch: steigende Gesamtumsätze offenbaren Strukturwandel hin zu hybriden Geschäftsmodellen
- Größtes Geschäftsrisiko 2025: Nachfrage. Größte globale Herausforderung: Handelskonflikte
- Gestiegene Anforderungen: Unternehmen bewerten „Qualifikation der Arbeitnehmer“ so schlecht wie noch nie.
- Tschechien aus Sicht der Investoren weiter attraktiv, aber Polen in CEE auf Platz 1 - Faktoren: Produktionskosten, Infrastruktur, Fachkräfte
- Berechtigte Hoffnung auf deutsches Konjunkturpaket?
- Zur AHK-Konjunkturumfrage: parallele Durchführung in 16 Ländern der MOE-Region; Teilnahme in Tschechien: 130 Unternehmen der deutsch-tschechischen Wirtschaftssphäre
Indikatoren
Die aktuelle Wirtschaftslage bewerten die Unternehmen mit einem leicht positiven Saldo von +1 (2024: -10) etwas besser als im Vorjahr, die Aussichten für die weitere Entwicklung 2025 sind jedoch düster. Nur 17 % erwarten eine Verbesserung, jedes zweite Unternehmen rechnet mit einer Stagnation, knapp ein Drittel sogar mit einem weiteren Abwärtstrend. Der Saldo schließt mit -14 Punkten. Besonders pessimistisch ist das Verarbeitende Gewerbe, nur 11 % rechnen mit besseren Wirtschaftsaussichten.
Die Geschäftsaussichten werden in der Regel besser beurteilt, aber auch hier sinkt der Saldo im Vergleich zum Vorjahr von 21 auf 18 Punkte. Verantwortlich dafür ist das Verarbeitende Gewerbe, nur 30 % der Befragten erwarten eine positive Geschäftsentwicklung, im Dienstleistungssektor sind es immerhin 47 % der Befragten.
Die Probleme des verarbeitenden Gewerbes und die Entkopplung des deutlich optimistischeren Dienstleistungssektors zeigt sich auch bei allen weiteren Indikatoren. Seit insgesamt sieben Jahren (Ausnahme 2021) verzeichnen wir im Saldo eine sinkende Investitionsbereitschaft, beim Verarbeitenden Gewerbe wollen aktuell ganze 43 % ihre Investitionen reduzieren, ein Saldo von -6 Punkten. Dieser verschärfte Trend könnte die Debatte um eine sinkende Konkurrenzfähigkeit und Deindustrialisierung weiter befeuern.
„Unsere Industrie steht vor der Herausforderung, sich zu transformieren und gleichzeitig wettbewerbsfähig zu bleiben – beides erfordert große Investitionen. Unsere Konjunkturumfrage offenbart hier ein Problem“, so Milan Šlachta, DTIHK-Präsident und Repräsentant der Bosch Group CZ & SK. „Es bedarf seitens der politischen Vertretung einer größeren Flexibilität, auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren. Sei es im Bereich Bürokratieabbau, der Förderung von Bildung und der Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte, aber auch hin zu mehr Technologieoffenheit bei der Dekarbonisierung von Verkehr und Industrie.“
Anders als im Verarbeitenden Gewerbe, wollen 42 % des Dienstleistungssektors ihre Investitionen erhöhen, ein Saldo von +26. Dieses nach Sektoren gespaltene Bild bestätigen auch die Daten zur Beschäftigungsprognose, Lohnkostenerhöhung und zur Entwicklung der Gesamtumsätze für 2025.
Erfreulich ist die Trendwende bei den Gesamtumsätzen mit einem Saldo von +29 Punkten, ein Plus von 5 Punkten. Alle Sektoren rechnen klar mit steigenden Umsätzen, beim Verarbeitenden Gewerbe immerhin 39 %, bei den Dienstleistern sogar satte 60 %.
Timo Wollmershäuser, Konjunkturchef des renommierten Münchner ifo Instituts, sieht in der Entkopplung der Umsätze von den Indikatoren, die mit der reinen Warenproduktion in Verbindung stehen, die Bestätigung für einen grundlegenden Strukturwandel in der Industrie: „Industrieunternehmen erwirtschaften zunehmend Umsätze aus hybriden Geschäftsmodellen. Industriewaren werden mit produktbegleitenden Dienstleistungen kombiniert. Gleichzeitig verlagern viele Unternehmen Teile der physischen Fertigung ins Ausland und konzentrieren sich im Inland auf Produktentwicklung und -vertrieb. Daher zeichnet seit einigen Jahren der Gesamtumsatz der Industrieunternehmen ein deutlich besseres Bild als die Industrieproduktion oder die Ausrüstungsinvestitionen.“
Risiken und Herausforderungen
Das größte Risiko in den kommenden 12 Monaten sehen 63 % der Unternehmen weiterhin im Rückgang der Nachfrage – ein Anstieg von 5 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Weitere Hauptsorgen: Arbeitskosten (49 %), Energiepreise (46 %), und Fachkräftemangel (über 43 %).
Als größte Herausforderungen in den kommenden fünf Jahren sehen die Unternehmen vor allem „Handelshemmnisse und -konflikte“ (61 %), „Digitale Transformation & Künstliche Intelligenz“ (53 %) sowie „Cybersicherheit“ (50 %)
Standortattraktivität Tschechiens: Tops & Flops
Tschechien punktet bei den Investoren vor allem mit diesen Standortfaktoren: EU-Mitgliedschaft (Platz 1), Telekommunikation (Netzqualität, Dienstleistungen - Platz 2) und traditionell mit der „Qualität und Verfügbarkeit lokaler Zulieferer“ (Platz 3).
Am schlechtesten bewerten die Investoren in Tschechien die „Verfügbarkeit von Fachkräften“ (letzter Platz 25), das „Berufsbildungssystem“ (Platz 24) und die „Effizienz der öffentlichen Verwaltung“ (Platz 23), aber auch die „Berechenbarkeit der Wirtschaftspolitik“ (Platz 22).
Eine dramatische Verschlechterung in der Bewertung der Unternehmen erfährt die „Qualifikation der Mitarbeiter“ (Platz 19). Im Ranking der Standortfaktoren im Jahr 2021 noch weit oben auf Platz 6, sank die „Qualifikation der Mitarbeiter“ kontinuierlich auf den heutigen historischen Tiefpunkt.
„Nicht die Qualifikation oder die Ausbildung selbst haben sich verschlechtert, sondern die Anforderungen der Unternehmen haben sich deutlich verändert in einer Zeit rasanter Entwicklung von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz. Das tschechische Berufsbildungssystem hat noch keine Antwort darauf, dabei entscheidet die Qualifikation der Mitarbeiter über die Innovationskraft unseres Standorts“, warnt der geschäftsführende DTIHK-Vorstand Bernard Bauer.
Gefragt, welche Faktoren die Innovationskraft ihres Unternehmens derzeit am stärksten behindern, verwiesen mit Abstand die meisten Respondenten (61 %) auf den „Mangel an qualifizierten Fachkräften“. In der Gesamtschau der Ergebnisse ist das also nicht nur eine Frage der Verfügbarkeit, sondern mittlerweile auch der Qualifikation selbst.
Beim Vergleich der Wettbewerbsfähigkeit Tschechiens mit 5 wichtigen Investitionsstandorten in Mittelosteuropa haben die Investoren Polen auf Platz 1 gesetzt. Tschechien folgt auf Platz 2, dann die Slowakei, Rumänien, Ungarn und Bulgarien. Entscheidend bei der Bewertung der Länder waren vor allem niedrigere Produktionskosten (62 %), Investitionen in Infrastruktur (53 %) und ein besserer Zugang zu Fachkräften (50 %).
Entwicklung in Deutschland
Etwa ein Drittel des tschechischen Außenhandels wird mit Deutschland abgewickelt. Die Entwicklung der deutschen Wirtschaft ist daher von entscheidender Bedeutung für die Tschechien. Timo Wollmershäuser vom ifo Institut kommentiert die aktuelle Situation: „Die deutsche Wirtschaft befindet sich seit nunmehr 6 Jahren in der Krise. Der demografische Wandel, die Dekarbonisierung, die neue Rolle Chinas in der Weltwirtschaft, der Wegfall Russlands als Energielieferant, der Rückzug der USA aus der europäischen Sicherheitsarchitektur sowie der zunehmende Protektionismus der USA setzen etablierte Produktionsstrukturen unter Druck und beschleunigen den Strukturwandel. Erst im kommenden Jahr dürfte die deutsche Wirtschaft wieder spürbar wachsen, vorausgesetzt die neue Bundesregierung reagiert mit den richtigen Maßnahmen auf diese neue Lage.“
Ergebnisse der Konjunkturumfrage 2025
Zur Umfrage in Tschechien
Befragungszeitraum: 3. – 28. März 2025
Teilnehmerkreis: 130 Mitgliedsunternehmen der DTIHK und deutsche Unternehmen in Tschechien
Beteiligung nach Sektoren: 43 % verarbeitendes Gewerbe,
35 % Dienstleistungen, 16 % Handel, 5 % Bauwirtschaft, 1 % Energie- und Wasserversorgung, Entsorgung
Kontakt:
Christian Rühmkorf
Tel.: +420 603 882 185
E-Mail: ruehmkorf(at)dtihk.cz
Foto © Jaromír Zubák